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Loriot

Ja, so kann es einem gehen: man denkt, man wisse einiges über eine Sache und hat doch erst nur die Hälfte gesehen. Oder noch weniger. Über Loriot (bürgerlich Bernhard-Victor Christoph Carl bzw. Vicco von Bülow) selber noch Worte zu verlieren, scheint wenig aussichtsreich, denn anlässlich seines Todes im August letzten Jahres ist bereits vieles Rühmliches und Ehrbekundendes gesagt worden, das man an dieser Stelle kaum, oder wenn, dann nur schlechter, wiederholen könnte. Deshalb soll hier tatsächlich nur die DVD-Edition "Loriot - die vollständige Fernseh-Edition" im Mittelpunkt des Interesses stehen. Wobei das ja auch nicht ganz ohne Ansehen des Künstlers selbst geht. Beziehungsweise ohne den biographischen Hintergrund Loriots, denn ansonsten erscheinen einem bestimmte Dinge sehr ungereimt. Es fängt zum Beispiel mit der berühmten Nase an. Also der Nase des Männchens. Der Knollennase des Männchens, genauer gesagt nämlich der charakteristischen Knollennnase des berühmten Loriot'schen Knollennasenmännchens. Des berühmten Loriot'schen Knollennasenmännchens, das Dank von Bülows Herkunft von der Werbegrafik zunächst einmal als Knollennasenmännchen (und, das soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden: Knollennasenweibchen) in ganz eigentümlicher Weise Werbung machte für Stanwell Pfeifentabak, und zwar unter dem immer gleichen Slogan: drei Dinge braucht der Mann - fressen, dings und fernsehen, ach nein, Feuer, Pfeife, Stanwell. Es wirkt im Rückblick merkwürdig deplatziert. Woran liegt das? Weil die Rezeption des Knollennasenmännchens, zumindest für Seher meiner Generation, chronologisch anders verlaufen ist. Hier sind bereits Wohl und Wehe der Fernseh-Edition deutlich zu sehen. Eine historisch-kritische Ausgabe wäre hier deutlich hilfreicher, denn so dokumentiert die Edition zwar die Tatsache des werbenden Knollennasenmännchens, die historische Genese des berühmten Männchens als im Dienste des Tabak-Konsums werbenden Gebrauchsgrafik-Produkts wird so aber nicht richtig deutlich. Der geneigte Zuschauer wundert sich und ist auf die Wikipedia angewiesen, um hier Klarheit zu erhalten und das Ganze nachvollziehbar zu machen . Das ist unnötig, das ist traurig, und das wäre mit etwas redaktioneller Sorgfalt vermeidbar gewesen. Man hätte dem Zuschauer ja durchaus kleine Zwischentexte, etwa im Menü, zumuten beziehungsweise zukommen lassen können - so etwas muss eine DVD-Ausgabe eigentlich hergeben. Völlig unverbunden bleibt daher auch das Loriot'sche Mainzelmännchen, das im Kontext der Werbung Auftritt, und das, naja, sagen wir mal so, ähm, seine stark überentwickelten Milchdrüsen mehrfach in drastischer Weise präsentiert. Wer das nicht glauben mag, kann ja ruhig diesem Link folgen. So ganz fern von Loriots zeichnerischer Kunst ist das ja aber auch nicht. Ja, da staunt der Laie, und dem selbsterklärten Fachmann fällt das Gesicht in Scherben herunter. Möglicherweise ist dieses Erstaunen aber auch beabsichtigt, weil es dem geheimen Bildungsauftrag der DVD-Edition geschuldet ist: dem Zuschauer nicht alles abnehmen, Anstöße zum Weiterdenken geben, das Gehirn geschmeidig halten.

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