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Stirb langsam

Das waren noch glorreiche Zeiten, die achtziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts: man durfte auch in den Vereinigten Staaten von Amerika (United Snakes of America) noch an Flughäfen (und überhaupt) rauchen und mit der Knarre unterm Arm in Flugzeugen von Flughafen zu Flughafen fliegen. Man durfte auch in Filmen noch offenbar ohne jeden beep fluchen, und zwar rauf und runter, was die Schimpfwortkiste eben so gerade hergab. Die Welt war ein sicherer Ort, im Großen und Ganzen, denn der elfte September war noch nicht zusammengereimt und so richtig in Erscheinung trat auch der internationale Terrorismus nicht, obwohl man einräumen muss, dass einmal Die Hard gucken und den Otto-Film mit seiner sensationellen Flugzeugträger-Vernichtungsszene anzusehen rein folienmäßig als Vorlagen für 9/11 gereicht hätten. Ja, genau, auch Die Hard, was in einer deutschen, ungefähr sinnentstellenden Übersetzung als Filmtitel so in etwa "stirb mit nem Steifen" heißen dürfte. Jedenfalls wird das nahe gelegt, wenn man den Testosteronlevel des Filmes mit einem Meterband misst oder auf der Autowaage nachwiegt. Symbolschwer sind sowohl die Knarren als auch die Architektur, und es fließen die Körpersäfte metaphorisch verwandelt über. Blut eben - naja. Und das alles wegen Holly Gennero (oder Holly Gennaro?), fragt man sich am Ende etwas verwundert. Ja, nun ja, nein, auch wegen der beiden Kinder, wie hießen sie noch gleich? Hänsel und Gretel? Oder Lucy und John? Ja, um derentwillen auch. Aber auch wegen vieler anderer Dinge, die es public-relation-mäßig in dieser im Großen und Ganzen noch ok-en Zeit in den Achtzigern gerade zu rücken galt. Dass zum Beispiel East Coast total ruled, West Coast aber sucked. Dass die guten Schwarzen, die in aller Seelenruhe abwarten, den bösen Schwarzen, die viel Geld klauen, eine reinhauen dürfen. Dass ein lieber schwarzer Polizist endlich wieder lernt, auf Böse zu schießen. Dass ein einfacher aufrechter Republikaner einem ganzen Heer von LAPD-Polizisten und einer Handvoll gewöhnlich gut ausgebildeter FBI-Heinis stark überlegen ist. Dass der Weihnachtsmann viel Humor hat und auch schon mal mit der Maschinenpistole schießt, wenn Not am Mann ist. Und dass Deutsch ziemlich schwer ist, weil es auch die Deutschen von "Volksfrei" (oder so einem ähnlich komisch benamsten eingetragenen Verein zur Terrorisierung der Welt) kaum verstehen, wenn man "schieß dem Fenster" sagt oder "mach los!" Am Ende steht man etwas ratlos da, das ganze Popcorn ist aufgegessen, aber die Kussszene hat sich total nicht gelohnt. Ist das vielleicht doch ein Film gegen das Küssen und gegen Weihnachten? Ich werde ja auch die Vermutung nicht los, dass "Let it snow" eigentlich ein Lied gegen den Schnee ist. Merkwürdig, wie das alles so zusammentrifft! Man darf sich aber auch nicht blenden lassen: Helden sind per se konservative Figuren, weil sie für gewöhnlich nur die bestehende Ordnung, die durch gewaltige Einflüsse für eine Zeit ziemlich aus den Fugen geraten ist, wieder herstellen.